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Kommentar

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Beitrag vom 14.09.2009
Betreff: Kommentar zur These der angeblich zu starken Exportorientierung der deutschen Volkswirtschaft
Von: Stefan Kofner


Worin liegt das Strukturproblem der deutschen Volkswirtschaft? Unsere Volkswirtschaft ist extrem exportorientiert und damit aufs Engste mit der wirtschaftlichen Entwicklung in den Abnehmerregionen verbunden. Das sich daraus makroökonomische Ansteckungsrisiken ergeben können, ist offensichtlich. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat dies mit aller Deutlichkeit gezeigt. Die Exportabhängigkeit ist deswegen ein Problem, weil sich daraus Konflikte mit den Sicherheitszielen der Menschen ergeben. Wenn es richtig ist, daß wir stärker stabilitäts- und sicherheitsorientiert sind als beispielsweise die Menschen in den angelsächsischen Ländern, dann müßte die deutsche Seite darauf dringen, auf dem internationalen Parkett die Voraussetzungen für eine stabile und nachhaltige Entwicklung der Finanzmärkte zu schaffen (denn hier helfen nur abgestimmte Regulierungen). Das tut unsere Regierung natürlich auch, aber sie wird damit keinen durchschlagenden Erfolg haben, weil in den Partnerländern nach wie vor eine größere Risikobereitschaft in der Bevölkerung vorherrscht. Dann bleiben aber auch die Ansteckungsrisiken bestehen.

Es wäre also aus deutscher Sicht logisch, die realwirtschaftliche Integration der deutschen Volkswirtschaft in die Weltwirtschaft mit den Mitteln der strategischen Handelspolitik (Gewichtung der Handelsräume) zu begrenzen. Konkret kann das bedeuten, den Außenhandel mit Ländern, deren Finanzsektor unzureichend reguliert ist, mit möglichst weichen - um keine Vergeltungsreaktionen zu provozieren - handelspolitischen Maßnahmen zu beschränken. Dabei kommt es darauf an, sowohl die Exporte in die Risikoländer als auch die Importe aus diesen Ländern zu beschränken, denn die deutschen Exporte müssen ja umgelenkt werden und wir sollten keine Handelsstreitigkeiten mit den Zielländern für die Handelsintensivierung provozieren. Mit diesen Zielländern müssen sowohl die Exporte als auch die Importe gesteigert werden. Im Endeffekt läuft dies auf die Schaffung von handelspolitischen Stabilitätszonen hinaus, wobei der EU-Raum der Stabilitätskern der Weltwirtschaft werden könnte.

Was den Finanzsektor angeht, so müßte die Integration des deutschen Finanzsektors in das Weltfinanzsystem so weit zurückgedreht werden, daß die direkten finanzwirtschaftlichen Ansteckungsrisiken möglichst wirksam begrenzt werden.

Ein solches interventionistisches Programm, daß mit den Grundsätzen des offenen Welthandels durchaus in Konflikt steht, wäre natürlich nur eine zweitbeste Lösung - die ist aber die beste, wenn die erstbeste (also die international abgestimmte harsche Regulierung des Finanzsektors) nicht zu haben ist.

Eine Alternative könnte theoretische die Schaffung von Budgetpuffern sein, um die Schwankungen der weltwirtschaftlichen Aktivität abzufedern. Überschüsse aus den guten Zeiten könnten es uns ermöglichen, etwa das Kurzarbeitergeld in Krisensituationen zu verlängern, ohne daß sich daraus eine untragbare Belastung der öffentlichen Haushalte ergäbe. Dagegen spricht: Mit den vorhandenen Institutionen erscheint es schwer vorstellbar, daß der Bundeshaushalt wie ein Ansparkonto eingesetzt werden kann. Und außerdem haben wir gerade in den Abgrund einer systemischen Finanzkrise geschaut. Die nächste Krise kann so schwer sein, daß die Haftungsfähigkeit und die Kreditwürdigkeit des Staates gar nicht mehr ausreichen, um sie abzufedern. Dann kommt es zu prozyklischen Effekten, die die Krise verschärfen - man werfe einen Blick nach Lettland. Also besser vorbauen.