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Kommentar

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Betrag vom 20.02.2003
Betreff: "Die Überwindung der Massenerwerbslosigkeit"
von: Von Günter Woltmann-Zeitler
E-mail: anpwoltmannzeitler@hotmail.com


Die Massenerwerbslosigkeit ist heute nicht nur deswegen Deutschlands politisches Problem Nummer 1, weil sie den – wirklich – Erwerbslosen finanziell und psychologisch schadet, sondern auch, weil in unserem Land derzeit – richtig gerechnet – rund 6 Millionen Bürger kaum Sozialversicherungsbeiträge und keine Steuern zahlen und deshalb die So-zialkassen stark defizitär sind und es den Regierungen an Geld fehlt, um beispielsweise eine hinreichende Bildungs-, Kultur-, Umweltschutz-, oder gar Entwicklungspolitik finanzieren zu können. – Und was ist die Ursache vorbezeichneter Wirtschaftskrise und was kann gegen sie – wirklich entscheidend wirksam – getan werden ?

Die - wesentliche - Ursache der heutigen Massenerwerbslosigkeit findet man leicht, wenn man sich vor Augen führt, daß die Zahl der Menschen, die in der Wirtschaft zu Erwerbszwecken beschäftigt werden können, ihre Grenze da hat, wo die Gütermenge ins-gesamt, welche die Beschäftigten zu produzieren willens und imstande sind, nicht mehr im Markt absetzbar ist. - Anders gesagt: Es können in der Wirtschaft im Prinzip nicht mehr Menschen erwerbstätig sein, also irgendwie Lohnarbeit verrichten, als sie Güter nicht nur produzieren sondern auch verkaufen können. Denn mit dem Erlös beim Verkauf der produzierten Güter müssen die Löhne, Honorare, Gagen der Erwerbstätigen bezahlt werden. Oder so gesehen: Es kann nur so viel Sozialprodukt erzeugt werden, wie absetzbar ist.

Kann die Gesamtzahl der beschäftigungsbereiten Menschen insgesamt mehr Güter pro-duzieren, als im Markt absetzbar sind, können die Beschäftigungsbereiten, die das "Zu-viel" produzieren würden, nicht zu Erwerbszwecken eingesetzt werden, sondern bleiben oder werden erwerbslos. Ihnen ihre Arbeit zu bezahlen, dafür stehen dann keine Einnah-men aus dem Verkauf ihrer Produkte, keine Erträge zur Verfügung.

Und nun ist einleuchtend: Im Markt können insgesamt nur soviel Güter abgesetzt wer-den, wie die vorhandene Kaufkraftmenge entsprechende Nachfrage nach Gütern ausübt, das heißt: kaufen will. - Kaufkraft, das ist die Menge allen kaufaktiven, das heißt: im Markt umlaufenden kaufinteressierten Geldes.

Fazit: Die Zahl der Menschen, die zu Erwerbszwecken beschäftigt werden können, ist unabdingbar abhängig von der umlaufenden, das heißt: von der durch die jeweilige No-tenbank ausgegebenen Geldmenge und der damit ermöglichten Kaufkraftmenge. Je mehr Geld die zuständige Notenbank ausgibt und anschließend im Wirtschaftskreislauf umläuft, desto mehr Kaufkraft übt im Markt Nachfrage aus, desto mehr Güter können abgesetzt werden, desto mehr Güter lohnt es sich zu produzieren, desto mehr Menschen können zu Erwerbszwecken beschäftigt werden.

Logischer Umkehrschluß: Können nicht im Prinzip alle an Erwerbsarbeit interessierten Menschen irgend eine Erwerbsstelle finden, hat die Notenbank nicht die notwendig große Geldmenge ausgegeben.

Das – wesentliche – Mittel gegen die Massenerwerbslosigkeit ergibt sich aus dem bis-her Festgestellten - logischerweise: Die Kaufkraftmenge, die umlaufende Geldmenge in unserem Land muß – wesentlich – vergrößert werden, die für die Geldversorgung des Marktes zuständige Notenbank muß die Geldmenge sehr beträchtlich ausweiten. Das ist die grundsätzliche Notwendigkeit.

Als Antwort auf die Frage, um wieviel die Geldmenge vergrößert werden muß, kann man Formeln erstellen; hier soll nur allgemein gesagt werden: Die Geldmenge muß solange sukzessive vergrößert werden, bis alle Güter absetzbar sind, die Erwerbswillige erstellen können (und aus Umweltschutzgründen erstellen dürfen, selbstverständlich).

Die vielleicht zweite Frage, auf welchem Weg, in welcher Form das zusätzliche Geld dem Markt zugeführt werden soll, ist eine – jedenfalls im volkswirtschaftlichen Sinn – unbe-deutende Frage. Das neue Geld, über welche Stationen es auch immer zufließt, wem es auch immer als erstem zugeleitet wird, steht ja im Endergebnis dem Gesamtwirtschafts-kreislauf zur Verfügung, wirkt dann gegen eine gegebenenfalls herrschende Absatzkrise, vermindert, überwindet schließlich die heute herrschende Erwerbslosigkeit. - Zwei nord-deutsche Wirtschaftsprofessoren hatten vor einiger Zeit einmal vorgeschlagen, die No-tenbank solle der Öffentlichen Hand einfach einen zinsfreien und unbefristeten (!) Kredit (übrigens in Höhe von 20 Milliarden Euro, was am Ende wohl noch zu wenig wäre) zur Verfügung stellen. So könnte man es tatsächlich machen – aber auch anders, gleichgül-tig. An der Antwort auf die Frage "Wie" gibt es letztlich lediglich nachgeordnete Interes-sen, die hier nicht alle erörtert werden müssen.

Verursachte die Geldmengenvergrößerung eine Inflation ? – Antwort: Nein, denn eine allgemeine Geldwertminderung kann nur eintreten, wenn die Geldmenge in einem Übermaß vergrößert würde, so daß die ihr gegenüberstellbare Gütermenge nicht in glei-chem Maße steigen kann, weil die entsprechenden produktionstechnischen Möglichkeiten nicht gegeben sind. Eine derartige Situation kann aber in Deutschland heute und morgen nicht eintreten: Freie Arbeitskräfte zwecks Ausweitung der Produktivität gibt es genug; es warten rund sechs Millionen Erwerbslose. Und uns so viel Rohstoffe zu liefern, wie wir haben mögen, darauf wartet die Welt.

Erwerbsarbeitsplätze könnten genug zur Verfügung gestellt werden, wenn ... – Zwecks Überwindung der Massenerwerbslosigkeit in Deutschland wird immer wieder laut-stark nach Schaffung von mehr Erwerbsarbeitsplätzen gerufen. Dieser Ruf muß ergebnis-los im Wald verhallen. Denn Unternehmer richten heute deshalb nicht mehr Arbeitsplätze ein, weil sie ein entsprechendes Mehr an Produkten mangels Kaufkraft im Markt dort nicht absetzen könnten. Ansonsten hätten sie schon "Mut zu Investitionen". – Und Unter-nehmer verlangen nach einem "besseren Investitionsklima", zum Beispiel nach niedrige-ren Bankzinsen, niedrigeren Steuern, weniger Bürokratie und mehr Flexibilität bei den Arbeitnehmern. Dabei sind die Bankzinsen in der Gegenwart so niedrig wie nie in der Vergangenheit, würden unsere Unternehmer mit den Steuern und den Behörden schon zurecht kommen, wenn sich der entsprechende Aufwand nur – umsatzmäßig – lohnen würde, und wären Arbeitnehmer im Prinzip gern bereit, flexibel auf einen gegebenenfalls auch weiter entfernt liegenden Arbeitsplatz zu wechseln, wenn nur hinreichend sicher wäre, daß dieser Arbeitsplatz sicher ist.

Der Autor arbeitetet als unabhängiger Währungswissenschaftler, Konjunkturforscher und Publizist. Er ist Verfechter einer sozialgerechten Marktwirtschaft.

Weitere Informationen über www.arbeitsgemeinschaft-neue-politik.de